Wenn du heute in eine Schule gehst und dort die 16- bis 18-Jährigen fragst, welche Unternehmer sie kennen, werden mit Sicherheit Namen wie Elon Musk, Jeff Bezos oder Mark Zuckerberg fallen. Auf die Namen deutscher Unternehmer wirst du hingegen lange warten müssen. Denn in Deutschland gibt es immer weniger Gründer. Und die, die da sind, kennt kaum einer. Weil Unternehmertum in unserem Land nicht gefeiert wird, sondern vielmehr unter dem Radar fliegt. Denkt mal an das Debakel mit den Corona-Hilfen im vergangenen Jahr zurück. Es hat ewig gedauert, bis die Regierung überhaupt verstanden hat, dass es Selbstständige und kleine mittelständische Unternehmer gibt, die Unterstützung dringend nötig hatten. Ein Armutszeugnis und eine ernstzunehmende Bedrohung der Zukunft unserer Wirtschaft, wenn wir nicht bald handeln!
Unternehmertum existiert in den Schulbüchern nicht
Vor rund dreißig Jahren habe ich den Schritt in die Selbstständigkeit gemacht. Inzwischen bin ich vierfacher Unternehmer mit über 100 Mitarbeitern. Aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen: Firmengründung in Deutschland ist eine Bürokratieschlacht vom Allerfeinsten. Das schreckt viele Menschen ab. Und das größte Hindernis: Unsere Kinder lernen überhaupt nicht, dass es diese Möglichkeit für sie gibt. Wie sollen jungen Menschen denn auf die Idee kommen, ihr eigenes Unternehmen zu gründen, wenn ihnen in der Schule nur zwei Routen vorgezeichnet werden: Erst Schule, dann Ausbildung oder Studium. Anschließend wird im erlernten Beruf gearbeitet, idealerweise bis zur Rente. Diese Wege entsprechen absolut nicht mehr der Realität!
Hinzu kommt, dass auch die Mentalität der jungen Generationen eine andere ist. Wenn von Unternehmertum die Rede ist, denke ich an Männer wie Dirk Roßmann, Erich Sixt und natürlich Reinhold Würth. Auch heute leben wir in einer Zeit voller Umbrüche, wie diese Männer sie nach dem Krieg vorgefunden haben. Doch anders als vor 70 Jahren will sich keine so richtige Aufbruchsstimmung einstellen. Um es findet sich kaum jemand, der die Gelegenheit ergreift, um seine Vision Wirklichkeit werden zu lassen. Für mich war als junger Kerl klar: Ich will Zuhause raus, was erleben. Ich wollte einen spannenden, abwechslungsreichen Job – und natürlich auch ordentlich Kohle verdienen. Schnell merkte ich, dass ich ein Händchen fürs Verkaufen hatte, der Rest ist Geschichte. Doch so ein Mindset findest du heute kaum noch!
Sicherheit statt Selbstverwirklichung
Warum wir uns Sorgen um das Unternehmertum in Deutschland machen müssen? Weil der vorherrschende Wert bei jungen Menschen heute Sicherheit lautet. Tatsächlich streben immer mehr junge Menschen einen Karriereweg im öffentlichen Dienst an. Durch Corona wurde dieser Trend nochmal verstärkt. Keine Frage, die Vorteile liegen auf der Hand: Beschäftigte im öffentlichen Dienst waren in der Hochphase der Krise kaum von Kurzarbeit betroffen und hatten deutlich geringere Gehaltseinbußen im Vergleich zur freien Wirtschaft. Doch mal ehrlich: Ich wäre vor Langeweile gestorben! Etwas Spießigeres hätte ich mir nicht vorstellen können.
Die Generation Z tickt da anders. Sie legt vor allem Wert auf Familie und Freunde – und einen Beruf, der dafür genügend Zeit lässt. Eine Studie der Maas Beratungsgesellschaft mbH unter 2.000 Teilnehmern ergab, dass Familie und Kinder von 30 Prozent der Generation Y als sehr wichtig eingestuft werden – bei der Generation Z sind es 60 Prozent. Wenn mich damals wer gefragt hätte, was für mich einen tollen Job ausmacht, hätte ich gesagt: Geld, Aufstiegsmöglichkeiten und natürlich ein ordentlicher Firmenwagen. Nicht so die heutige Generation: Im Rahmen der Studie gab über die Hälfte der Nachwuchskräfte an, sich vor allem ein angenehmes Arbeitsklima, Sicherheit und eine interessante Tätigkeit zu wünschen.
Ohne Unternehmertum schaffen wir uns selbst ab
Hier muss sich dringend etwas tun! Deutschland steht aktuell auf Platz 15 aller 36 Mitgliedsländer der OECD in Sachen digitaler Innovationsfähigkeit, noch hinter Australien oder Irland. Ich frage mich, wo der Hunger und die absolute Begeisterung für etwas geblieben sind. Wenn ich mitbekomme, worüber sich Mitzwanziger heute Gedanken machen, kann ich mir nur an den Kopf packen. Auf die Frage, was sie an ihrer Arbeit nicht so gut finden, kommen ernsthaft Antworten wie: „Es gibt keinen Getränkespender, keine Snackautomaten und die Kantine hat nur ein vegetarisches Gericht.“ Da fragst du dich doch, wie es unsere Eltern bloß geschafft haben, sich Brote und Wasser selbst mitzubringen und trotzdem gerne zur Arbeit gegangen sind?
Die Zeiten haben sich geändert, keine Frage. Auch ich habe für meine Mitarbeiter einen Koch eingestellt, der jeden Mittag eine frische und ausgewogene Mahlzeit auf den Tisch bringt. Inklusive Salat als Vorspeise und Nachtisch. Wenn du heute gute Mitarbeiter haben willst, musst du ihnen auch entgegenkommen und auf ihre Werte und Bedürfnisse eingehen.
Doch darüber hinaus ist es aus meiner Sicht die Aufgabe aller Unternehmer, sichtbarer zu machen, was wir leisten. Für uns ebenso wie für die Wirtschaft. Wir müssen es schaffen zu transportieren, wie sinnstiftend ein Leben als Unternehmer sein kann. Denn ansonsten sehe ich nicht, wie wir das dringend benötigte Wirtschaftswachstum erreichen wollen, während das Defizit im Staatshaushalt immer größer wird. Wir haben als Gesellschaft viel zu lange von den Früchten der Vergangenheit gelebt. Wenn wir jetzt nicht neu aussähen und selbst anbauen, schaffen wir uns selbst ab.
Euer Martin Limbeck
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2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Ich finde, du hast an einigen Punkten recht, Martin. Ich bin geschäftsführendes Vorstandsmitglied von NFTE, Network For Teaching Entrepreneurship Deutschland e.V.. Wir sind eine außerschulische Bildungsinitiative, die Jugendlichen aus eher bildungsfernen Haushalten die Möglichkeit zu mehr Teilhabe an der Gesellschaft mittels Entrepreneurship Education eröffnet. Wir erreichen das, indem wir Fortbildungen für Lehrkräfte anbieten.
NFTE ist 1987 von Steve Mariotti gegründet worden, der an einer Schule in der Bronx von seinem Unternehmerleben erzählt hat. Daraus ist ein Curriculum geworden und das erschienene Buch ist von Harvard als bestes Wirtschaftsbuch ausgezeichnet worden.
Die Problematik von der du sprichst, die Generation Z möchte Sicherheit zu 60% liegt m.E. daran, dass es
1. in Schulbüchern keine RoleModels gibt.
2. Lehrkräfte keine Erfahrung haben
3. die wichtigen Dinge in den Curricula nicht enthalten sind und
4. Schule heute “den Untertan” produziert
5. langsam zur Kompetenzorientierung kommt
Selbstbestimmtes, interessengeleitetes Lernen im eigenen Tempo stärkt Selbstbewusstsein, Selbstvertrauen, Berufsfähigkeit und auch Mündigkeit.
Es gibt so viele Kompetenzen, die entwickelt werden müssten, um in der sich ständig ändernden Welt zu bestehen, unternehmerisches Denken und Handeln ist eine davon.
Ich denke dass die Schule zur Zeit auf das falsche Pferd setzt. Es geht in der Schule um die reine Wissensvermittlung aus dem Kontext gerissen. Wenn Schule sich auf Bildung konzentrieren würde, dann gäb es meines Erachtens mehr Jugendliche, die etwas unternehmen würden.
Aber nur auf die Institution Schule zu schimpfen ist zu einseitig. Es gibt noch die Öffentlichkeit. 80% der Täter im tatort sind Unternehmer*innen. Das prägt das Bild des Unternehmers/ der Unternehmerin.
Und in der Presse sind die ihren Stakeholdern verpflichteten Manager auch Unternehmer*innen.
Es gab mal eine schöne Reihe im ZDF. Es ging um die Dasslers, die Familie Herz, die Ottos und die Neckermänner… wo wird über all die anderen tollen Familienunternehmen berichtet, die wunderbare Vorbilder sein können?
Bei NFTE haben wir seit 2004 ca. 28.000 Schüler*innen erreicht. In unserem aktuellen Schüler*innenbuch sind einige Role Models vorgestellt.
Als gemeinnütziger Verein ist es schwer in den Elfenbeinturm “Bildung” hineinzukommen. Gelingt es, dann gibt es viel Zuspruch.
Hallo Herr Neumann, vielen Dank für Ihr Feedback! Es ist toll zu lesen, dass es etwas wie die NFTE gibt. Das ist genau das, was wir hierzulande an den Schulen brauchen!