Sozialstaat Deutschland: Wohin verschwinden unsere Steuern?

Im Jahr 2021 wurden in Deutschland insgesamt 833,2 Milliarden Euro Steuern eingenommen. Die Zahlen für das vergangene Jahr sind noch nicht fix, Experten gehen allerdings von einem weiteren Anstieg auf mehr als 880 Milliarden Euro aus. Diese Summe entspricht ungefähr dem Geld, das die 90 ärmsten Länder der Welt gemeinsam erwirtschaften. Und trotzdem fehlt es bei uns scheinbar an allen Ecken und Enden: Dauerbaustellen auf den Autobahnen, marode Brücken, überlastetes Gesundheitssystem, hinterherhinkendes Bildungssystem, unterbesetzte und schlecht ausgestattete Bundeswehr und so weiter. Was in meinen Augen hier schiefläuft und was unsere falschverstandene Solidarität damit zu tun hat? Mehr dazu in diesem Beitrag.

Wenn du Minister wirst, hast du ausgesorgt

„Deutschland ist ein reiches Land!“ Mit diesem Glaubenssatz bin ich aufgewachsen. Doch inzwischen habe ich berechtigte Zweifel daran. Deutschland ist zwar die viertgrößte Wirtschaftsmacht nach den USA, China und Japan. Doch bei den Bürgern kommt diese ökonomische Power nicht an. Stattdessen haben wir einfach nur den fettesten Staat der Welt. Nirgendwo nimmt ein Staat seinen Bürgern so viele Steuern und Abgaben weg wie in Deutschland. Und zu welchem Zweck geben die Deutschen ihr ganzes Geld dem Papi Staat? Weil sie glauben, im Gegenzug Sicherheit von ihm zu bekommen und von ihm versorgt zu werden! Tatsächlich finanziert der Staat damit jedoch einen viel zu großen bürokratischen Apparat mit jeder Menge reiner Versorgungspöstchen für Leute, die sich nach wirtschaftlichen Maßstäben in keinem Unternehmen halten könnten. Schade um das Geld!

Stichwort Versorgungspöstchen: Das haben wir gerade erst wieder miterlebt. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht ist letzte Woche zurückgetreten, nach einem Jahr, das sich gut unter dem Oberbegriff „Pleiten, Pech und Pannen“ zusammenfassen lässt. Früher wären solche Leute wahrscheinlich geteert und gefedert oder in Schande aus der Stadt gejagt worden. Nicht so im Jahr 2023: Ab dem ersten Tag im Amt steht einem Bundesminister nach dem Ausscheiden ein Übergangsgeld zu. Für die ersten drei Monate die vollen Bezüge, danach die halben. Je nach Länge der Amtszeit wird das Geld für bis zu zwei Jahre ausgezahlt. Konkret bedeutet das im Fall Lambrecht, dass sie bis zu 227.000 Euro erhalten wird. Hinzu kommt noch der Anspruch auf eine Pension, die jeder bekommt, der mindestens vier Jahre Minister oder Parlamentarischer Staatsekretär war. Laut Bund der Steuerzahler beläuft sich diese Pension im Minimalfall auf 4.660 Euro pro Monat. Während andere Menschen in unserem Land für einen Bruchteil dieser monatlichen Rente vierzig Jahre und mehr arbeiten gehen. Da stimmt doch etwas gewaltig nicht.

Steuern allein sind kein Allheilmittel, sie müssen auch sinnvoll eingesetzt werden

Explodierende Energiepreise, steigende Lebenshaltungskosten, die Preise für Immobilien gehen durch die Decke, Mietwohnungen sind kaum noch zu bekommen: Wenn wir so weitermachen, wird unser System zusammenbrechen. Wir bewegen uns mit großen Schritten auf das Niveau von Ländern zu, die wir in der Schule unter dem Sammelbegriff „Dritte Welt“ kennengelernt haben. Rund 13 Millionen Menschen waren 2021 in Deutschland armutsgefährdet – das sind 15,8 Prozent der Bevölkerung. Und ich vermute stark, dass diese Zahl jetzt in Folge der Krise nochmal deutlich anziehen wird. Ich finde das wirklich erschreckend. Und gleichzeitig macht es mich auch wütend. Ich zahle seit über dreißig Jahren den Spitzensteuersatz in unserem Land. Die Steuerlast ist aktuell so hoch wie nie zuvor. Im Steuerzahlen sind wir Weltmeister – doch was bitte passiert mit unseren Steuern? Warum geht unser Land vor die Hunde, während wir uns dumm und dämlich zahlen?

Finstere Zukunftsaussichten trotz Rekord-Steuern

Letztens bin ich mal wieder mit dem Zug nach Düsseldorf zum Flughafen gefahren. Ich kann verstehen, warum sich die Bahn schwer damit tut, neue Kunden zu gewinnen. Toiletten am Bahnhof abgeschlossen wegen Vandalismus. Der Getränkeautomat kaputt. Der Kiosk schon lange aufgegeben und mit Graffiti verschönert. Wie bitte soll die Verkehrswende gelingen, wenn du dich an vielen Bahnhöfen wie im Ghetto fühlst oder es aussieht, als wäre der Wiederaufbau nach dem Krieg hier vergessen worden? Von Investitionen aus dem Steuertopf habe ich hier bisher nichts mitbekommen. Die wenigsten Menschen fahren aus Spaß und Langeweile Zug, sondern weil sie irgendwo hinwollen. Zur Arbeit oder Terminen zum Beispiel. Da kann ich mich jedoch nicht auf die Bahn verlassen, solange der Fahrplan anscheinend via Glücksrad festgelegt wird. Wahrscheinlich ist auch gar nicht die Bahn mit der Verkehrswende gemeint. Vielleicht sollen wir alle zu Fahrradfahrern werden oder direkt wieder aufs Pferd umsteigen. Denn wer soll sich die Elektroautos eigentlich noch leisten können, wenn es keine Förderungen mehr gibt und die Preise für Energie, Lebensmittel und Miete so bleiben?

Doch wohin geht das Geld dann? Ins Gesundheits- oder Schulsystem? Sicher nicht. Nehmen wir mal als Beispiel Köln, eine Millionenstadt. Eine Grundschule ist nach den Weihnachtsferien in den Distanzunterricht gestartet, weil der Heizkessel kaputt ist. Bekannt war das seit Wochen. Wann die Reparatur erfolgt, steht in den Sternen. Und das ist nur ein Beispiel von vielen. In anderen kann kein Unterricht durchgeführt werden, weil die Fenster klemmen oder die Lampen von der Decke fallen. Es kann doch nicht sein, dass solche Basics schon nicht funktionieren. In Sachen Gesundheitssystem sieht es auch nicht besser aus. Ich hatte gerade einen Check-up-Termin beim Augenarzt. Gewartet habe ich darauf sieben Monate, trotz privater Krankenversicherung. Arztpraxen sind überlaufen, es herrscht Medikamentenmangel – und unser Gesundheitsminister ruft dazu auf, abgelaufene oder nicht mehr benötigte Medikamente aufzuheben und Tauschbörsen in der Nachbarschaft zu bilden. Wenn wir nicht aufpassen, haben wir hier bald Schwarzmärkte und Verhältnisse wie vor der Wende im Osten.

Sozialstaat, Solidarität und Schmarotzer

Natürlich lässt sich das System nicht von heute auf morgen umkrempeln. In meinen Augen braucht es hier dringend eine Rückbesinnung darauf, was ein Sozialstaat im Kern eigentlich bedeutet – er ist da zum Schutz und der Daseinshilfe in Notlagen. So weit, so gut. Doch das ist im Laufe der vergangenen Jahrzehnte irgendwie aus dem Ruder gelaufen. Du blickst kaum noch durch, wer aus „sozialen Gründen“ welche Sonderrechte bekommt, Geld bezieht, Steuervergünstigungen erhält oder Förderungen. Nur der geringste Teil des Budgets geht heute noch dafür drauf, wofür er eigentlich gedacht war. Oder sind ehemalige Bundestagsabgeordnete wirklich so bedürftig? Heute wird so gut wie jedem geholfen, der sich nur ein bisschen blöd anstellt. Oder schlau, je nachdem, wie du das drehst. Klar, die Töpfe waren ja voll und dem Land ging es gut. Doch jetzt? Bleibt anscheinend trotz Rekordsteuereinnahmen kaum noch genug übrig, um zu verhindern, dass Deutschland zum wirtschaftlichen Totalschaden wird.

Und das Schlimmste ist – die Menschen haben sich daran gewöhnt, dass der Staat allen hilft. Gegenseitige Hilfe? Fehlanzeige. Wir schieben die Verantwortung auf Ämter ab. Auf Sozialversicherungen. Und das nennt sich dann „Solidarität“. Dieser Begriff ist inzwischen total verwässert. Der Staat hat die Solidarität so hochgradig organisiert, dass viele Menschen gar nicht mehr solidarisch sind. Weil sie denken: Der Staat richtet es doch! Und das kommt eben dabei heraus, wenn der Staat den Menschen das Helfen abnimmt. Ich sage nicht, dass der Staat nicht helfen soll. Doch es ist eben auch eine willkommene Ausrede für alle, die zu faul sind, anderen zu helfen. Und genau hier müssen wir ansetzen, wenn wir etwas ändern wollen.

Wie seht ihr das? Ich freue mich auf euer Feedback in den Kommentaren!

Euer Martin

 

 

Mehr dazu in meinem Buch Dodoland – uns geht’s zu gut!

Jetzt bestellen >>>

Vorheriger Beitrag
Ausgetwittert: Wie viel Musk steckt in eurer Führungskultur?
Nächster Beitrag
Als Unternehmer bist du immer der erste Verkäufer!

4 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

  • Andreas Bertram
    27. Januar 2023 11:44

    Wie immer lieber Martin. TOP auf den Punkt gebracht ! Dem ist (leider) nichts hinzu zu fügen.

    Antworten
  • Jürgen Knischewski
    13. März 2023 12:58

    Meiner Meinung nach spielt die Ökonomie, die die Basis eines Sozialstaates ist, eine immer geringere Rolle. Geld ist nach der Beamten-Denkweise immer irgendwie da. Nein, der Staat soll sich bitte sehr auf sein Kerngeschäft konzentrieren und keinen halbgaren Firlefanz finanzieren. Solidarität ist so wichtig wie noch nie, aber mit denen, die es wirklich nötig haben, nicht mit denen, die schlau genug sind, die entsprechenden Töpfe zu kennen. Und die Solidarität sollte zu eigenständigem Handeln motivieren, nicht zum Warten auf Transferleistungen.

    Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Bitte füllen Sie dieses Feld aus.
Bitte füllen Sie dieses Feld aus.
Bitte gib eine gültige E-Mail-Adresse ein.
Sie müssen den Bedingungen zustimmen, um fortzufahren.

Menü
;